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Bildung als hohes Gut


In einem Café bin ich mit einem jungen Mann und seiner Mutter verabredet. Maria begleitet mich, denn bei ihr lernt Jaroslav seit 3 Jahren Deutsch im Privatunterricht. Dieses Jahr hat Jaroslav die 11. Klasse abgeschlossen und somit die Schullaufbahn erfolgreich beendet. Seit diesem Semester studiert er IT an einer Uni in Mogiljow. Der große Wunsch von Jaroslav ist es in Deutschland zu studieren oder zumindest ein Gastsemester oder ein Praktikum zu absolvieren. Obwohl er mittlerweile auf einem höheren Deutsch-Level ist, traut er sich nicht wirklich Deutsch mit mir zu sprechen, er scheint etwas schüchtern zu sein. Zu Viert diskutieren wir die aktuellen Optionen auf ein mögliches Stipendium und ich verspreche mich diesbezüglich nach meiner Heimkehr ausführlicher zu erkundigen.

Leider wurden das Goethe-Institut sowie der Deutsche Akademische Austauschdienst im Jahr 2021 von den Behörden in Belarus aufgefordert ihre Tätigkeiten im Land einzustellen. Hierdurch ist es unmöglich geworden in Belarus offizielle Sprachprüfungen abzulegen oder über den DAAD an einem Austauschprogramm teilzunehmen.

Somit hat Jaroslav leider keine Möglichkeit in Belarus ein offizielles Sprachzertifikat zu erhalten, welches Voraussetzung für ein Studium, Stipendium etc. im Ausland wäre. Er will auf jeden Fall weiter intensiv Deutsch lernen durch Privatunterricht. Seine Mutter unterstützt ihn sehr bei diesem Vorhaben und recherchiert regelmäßig nach Sprachzentren, wo man möglicherweise eine DaF (Deutsch als Fremdsprache)-Prüfung ablegen kann.

Ich verabschiede mich von Jaroslav mit einem kleinen Geschenk: einem historischen Roman auf Deutsch, den ich zu Hause in einem öffentlichen Bücherschrank entdeckt habe. Ich hoffe, die Lektüre gefällt dem jungen Mann und er kann gleichzeitig sein Deutsch trainieren.

Ich bin beeindruckt, wie ernst Jaroslav das Thema Bildung nimmt – ein Eindruck, den ich des Öfteren bestätigt bekomme, wenn ich mit der Schüler- und Studentenschaft in Belarus spreche.

Auch bei dem Treffen mit Dascha, einer 21 Jahre alten Studentin, wird sofort die Leidenschaft für ihr Studium und ihr Ehrgeiz deutlich. Dascha lernte ich auf einer meiner vorherigen Reisen kennen, als ich die Schule Nr. 21 mit einer Reisegruppe besuchte. Die Schüler- und Lehrerschaft hatte seinerzeit ein kleines Programm auf Deutsch für uns vorbereitet, an dem auch Dascha teilnahm. Sie lernte seit der 3. Klasse Deutsch und freute sich mit uns als sogenannte „Native-Speaker“ ins Gespräch zu kommen. In einem der nächsten Jahre konnte Dascha dann im Rahmen der Gastkindererholungsreisen nach Deutschland reisen und war dort insgesamt drei Mal. Durch die Aufenthalte verbesserten sich ihre Sprachkenntnisse merklich und für einige Zeit versorgte sie unsere Vereinshomepage mit kurzen Artikeln über ihre Heimatstadt – selbstverständlich in deutscher Sprache verfasst. Nun ist sie schon im 4. Studienjahr und studiert Logopädie und Psychologie. Die Arbeit mit Kindern macht ihr sehr viel Freude und so brennt sie darauf, immer wieder Praktika im Rahmen des Studiums durchzuführen und nach dem Studienabschluss in das Berufsleben einzutreten.


Eine engagierte und ehrgeizige Schülerschaft – das ist der Traum einer jeden Lehrkraft. Und so passt es, dass ich mich am gleichen Tag mit unseren ehrenamtlichen Kindergruppenbegleiterinnen, Dolmetscherinnen, Aktiven im örtlichen Vereinsgeschehen treffe – die allesamt Lehrerinnen sind. Einige sind noch im aktiven Schuldienst – andere haben mittlerweile in ein anderes Berufsfeld gewechselt. Zuletzt trafen wir uns im vergangenen Jahr und so gibt es viel zu erzählen.

Die Gruppe hat eine gemeinsame Aktivität vorbereitet und so fahren wir zu einem Brotback-Workshop, in dem wir von der Pike auf die Verarbeitung eines Roggen-Sauerteigbrotes erlernen. Die Ergebnisse sind wirklich ansehnlich und duften herrlich. Ein weiteres gutes Beispiel für: Lebenslanges Lernen!

Während unseres gemeinsamen Nachmittages kommen wir selbstverständlich auch auf das Thema Schule zu sprechen. Ich bin immer wieder aufs Neue beeindruckt, dass in den Schulen in sogenannten zwei Schichten unterrichtet wird. Eine Gruppe der Schülerschaft lernt am Morgen, die andere Gruppe lernt am Nachmittag und kommt erst gegen Abend nach Hause. Hausaufgaben sind obligatorisch und auch, dass man in der Freizeit noch diverse Zirkel besucht (wie Tanzen, Musizieren, Kreativkurse, Sport etc.). Überwiegend wird das Thema Lernen/Bildung sehr ernst genommen und von der Schülerschaft als Chance auf einen guten beruflichen Weg geschätzt.

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