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Polina - aktiv im Ehrenamt


Beim Besuch zu Hause bei der 19-jährigen Polina sind wir beide ziemlich erkältet. Da es für Polina gesundheitlich gefährlich sein kann, wenn sie sich mit weiteren Infekten ansteckt, haben wir beide uns auf das Tragen einer Maske verständigt. Es ist früher Abend und ich steige aus dem Taxi, das Polina für mich bestellt hatte und mich zur Adresse fährt. Ich stehe vor einem der typischen Mehrfamilien-Blocks und bei meiner Ankunft öffnet sich ziemlich weit oben auf einer Etage ein Fenster. Polinas Mutter Natascha hat mich schon erwartet und ruft mir zu, dass sie mich unten abholen wird. Die Haupteingangstüren zum Treppenhaus kann man nur von innen öffnen oder von außen, wenn man den Code kennt, der über eine Tastatur neben der Türe eingeben muss.

Das letzte Mal haben wir uns in 2022 bei meinem Besuch in Mogiljow gesehen. Polina und ich sind jedoch über Messenger-Dienste im regelmäßigen Austausch. Das funktioniert sehr unkompliziert, denn Polina spricht mittlerweile ein exzellentes Deutsch. Ihre Liebe zur deutschen Sprache entdeckte Polina im Jahr 2018, als sie eine längere Zeit in Deutschland in einer Klinik in St. Augustin verbrachte. Dort unterzog sie sich einer sehr komplizierten medizinischen Behandlung und Operation, wodurch ihr Rückgrat aufgerichtet und stabilisiert wurde. Mehrere Monate verweile Polina in der Ferne und konnte seinerzeit nur mit Dolmetscherin und Übersetzungshilfen im Handy mit den Medizinern und Mitarbeitenden der Klinik sowie den begleitenden Ehrenamtlichen kommunizieren.

Die Sprachbarriere weckte den Ehrgeiz in ihr und sie entschloss sich, die deutsche Sprache zu erlernen. Zunächst startete sie im privaten Online-Unterricht mit einer Ehrenamtlerin aus Köln, dann wechselte sie in Intensiv-Online-Kurse der VHS Köln. Direkt zu Beginn dieser Kurse sorgte Polina für große Verwunderung, als sich alle Kurs-Teilnehmenden vorstellen sollten. Die Kurs sind bekanntermaßen multikulturell und demzufolge sind dort viele Nationalitäten vertreten. Polina stellte sich dort als Belarusin vor. Auf die Nachfrage: "Und wo wohnen Sie?" antwortete Polina: "In Mogiljow in Belarus". Und es stellte sich heraus, dass Polina tatsächlich die einzige aus dem Ausland zugeschaltete Teilnehmende war. Mehrmals die Woche finden die Kursmodule statt und aktuell wartet Polina auf die Teilnahme am Kurs B2.1. Keine noch so späten Uhrzeiten können Polina von der Teilnahme abhalten, auch wenn im Winter der Zeitunterschied zwischen Deutschland und Belarus 2 Stunden betragen und Abendkurse bei Polina dann eher zu Nachtkursen werden.

Bei meinem Besuch sind alle ein wenig aufgeregt. Polinas jüngere Schwester Nadja liegt mit einem Infekt im Krankenhaus und ihre Mutter Natascha hat alle Hände voll zu tun, um das Abendessen in Thermobehältern ins Krankenhaus zu transportieren. Mutter Natascha ist für mich eine wahre Helden als alleinerziehende Mutter von 5 Kindern. Polina hat noch 3 ältere Geschwister und mittlerweile 2 kleine Neffen. Daher ist in der Familie immer viel Trubel, wenn alle zusammenkommen. Polinas Bruder mit Ehefrau und kleinem Sohn wohnen in unmittelbarer Nähe in einer Wohnung und man hilft sich gegenseitig.

Eine wirklich großartige Familie, die wie Pech und Schwefel zusammenhält.



Polina wurde aufgrund ihrer Erkrankung zu Hause beschult und hat mittlerweile ihre Schullaufbahn beendet. Ihr großer Wunsch ist es an einer Universität Deutsch zu studieren. Die aktuellen Intensivkurse an der Volkshochschule sind mit Sicherheit eine hervorragende Vorbereitung für diese ambitionierten Pläne.

Seit vergangenem Jahr ist Polina ehrenamtlich in unserem Partnerverein MosaikaAktiv in Mogiljow aktiv und wurde mittlerweile Vorstandsmitglied. Sie gibt als Vertreterin der jüngeren Generation verschiedene Ideen und Impulse für die Vereinsarbeit und organisiert auch selbst online eine Gruppe für Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Auch dolmetscht sie in der Kommunikation zwischen unserem Verein in Deutschland und unserem Partnerverein vor Ort.

Nachwuchs im Ehrenamt - wir können uns glücklich schätzen, dass sich Polina mit Herz und Engagement in die Vereinsarbeit einbringt.


Zum Abschied übergebe ich an Polina das heißersehnte nächste Kursbuch, das für den kommenden Online-Deutschkurs benötigt wird. Denn für diesen steht sie ja schon in den "Startlöchern"...


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