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Aus dem Leben einer Lehrerin

Viele unserer Ehrenamtlerinnen in Belarus sind Lehrerinnen. Sie haben die Gastkindererholungen nach Deutschland begleitet, sind als Dolmetscherinnen in unseren Projekten aktiv oder engagieren sich anderweitig in den gemeinnützigen Aktionen.

Und daher möchte ich etwas genauer wissen, wie das Schulsystem in Belarus aufgebaut ist und wie der Schulalltag einer Lehrkraft aussieht.


Das Schulwesen in Belarus gliedert sich in folgende Bereiche: Schuljahre 1-4 sind der Primarbereich Schuljahre 5-9 sind der Sekundarbereich I Schuljahre 10-11 sind der Sekundarbereich II. Ab Sekundarbereich I erfolgt eine Differenzierung des Bildungswesens in verschiedene Schulformen: Mittelschule und Gymnasium. Nach dem Abschluss der 9. Klasse (Sekundarbereich I) endet die allgemeine Schulpflicht. Hiernach können sich die Absolventen entweder für den weiteren Schulbesuch an einer Berufsbildenden Schule entscheiden oder für den Besuch eines Gymnasiums, eines Lyzeums oder Colleges bewerben (Sekundarbereich II).

Berufsbildende Schulen sind a)beruflich-technische Schulen, in denen man in 2-3 Jahren eine grundlegende Berufsqualifikation der jeweiligen Fachrichtung erwirbt b)höhere beruflich-technische Schulen, an denen man in 3-4 Jahren die mittlere berufliche Qualifikation auf Technikniveau erwirbt. Zudem kann ergänzend zur beruflichen Qualifikation der volle Sekundarschulabschluss erworben werden, der zur Bewerbung um einen Hochschulplatz berechtigt.

 

Der Wechsel von Sekundarbereich I in Sekundarbereich II auf einem Gymnasium, einem Lyzeum oder einem College setzt das Bestehen einer Prüfung voraus bzw. das Durchlaufen eines Auswahlverfahrens. Colleges und Lyzeen bereiten gezielt auf ein Hochschulstudium vor. Der erfolgreiche Abschluss des 11. Schuljahres (Sekundarbereich II) berechtigt zur Bewerbung an einer Hochschule. Von dem Schulalltag an einem Lyzeum berichtet meine Freundin Anna. Sie ist dort Lehrerin für Deutsch und gelegentlich für Englisch. Aktuell lernen 30 Schüler*innen am Lyzeum Deutsch als Fremdsprache. Der Unterricht am Lyzeum startet um 8 oder 9 Uhr und dauert bis 17 Uhr. In der Kantine des Lyzeums kann zu Mittag gegessen werden. Schüler*innen aus Dörfern/ländlichen Regionen nehmen oftmals einen weiten Weg auf sich für den Besuch des Lyzeums. Denn nicht an allen Schulen werden Klassen des Sekundarbereiches II eingerichtet, wenn die Anzahl der Schüler*innen zu gering ist. Daher gibt es an Annas Lyzeum ein Wohnheim, in dem die Schülerschaft aus weit entfernten Dörfern wohnen können. Dies ist jedoch erst ab dem 14. Lebensjahr möglich. Die Kosten für einen Platz im Wohnheim betragen ungefähr 3 Belarus-Rubel monatlich (nach aktuellem Wechselkurs ca. 1 Euro). In den Zimmern wohnen 4-6 Personen. Die Aufteilung nach Geschlecht erfolgt etagenweise. In den Wohnheimen gibt es keine Küche. Die Ausstattung mit 1 Mikrowelle, 1 Wasserkocher und 1 Bügeleisen ist obligatorisch - allerdings pro Etage für insgesamt 20 Zimmer. Kühlschränke dürfen aufgestellt werden (müssen jedoch selbst angeschafft werden). Manche Schülerinnen und Schüler aus entlegenen Regionen nutzen jedoch auch die Möglichkeit bei Verwandten zu leben, wenn diese in der Nähe des Lyzeums wohnen. Für die Schüler*innen des Wohnheims gibt es ab 7 Uhr in der Kantine ein Frühstück, im Laufe des Vormittags ein zweites Frühstück, Mittagessen, einen Nachmittags-Snack und ein letztes Essen um 18 Uhr. Für die Verpflegung muss die Schülerschaft aus den Wohnheimen nicht zahlen, denn das Essen ist in dem monatlichen Kostenbetrag für das Wohnheim enthalten. Alle anderen Schüler*innen zahlen für ihr Essen, wobei zwei Mahlzeiten täglich 5 Rubel kosten.

Das Essen in der Kantine wird überwiegend frisch gekocht. Bei den warmen Hauptgerichten wie Mittagessen ist eine Suppe und ein Nachtisch – der sogenannte Kompott – obligatorisch. Wobei man unter dem Kompott in Belarus etwas anderes versteht als bei uns. In Belarus ist dies ein dickflüssiger Saft mit Obststückchen.

 

Großen Wert legt man bei den Aufgaben der Lehrkräfte auf die Erziehungsarbeit. Auch sind die Lehrer*innen zuständig für die Kontrolle der körperlichen und psychischen Gesundheit der Schüler*innen. So machen sie zwei Mal jährlich Hausbesuche bei den Familien. Dort schauen sie nach Ordnung und Sauberkeit, nach dem adäquaten Schlafplatz und Arbeitsplatz und ob eine gesunde und ausreichende Ernährung gewährleistet ist. Erziehung, Umgang, Versorgung in der Familie sollen geprüft werden und bei Anzeichen für Vernachlässigung, Gewalt, Verwahrlosung wird Meldung bei den zuständigen Behörden gemacht. Die Besuche bei den Familien werden außerhalb der Unterrichtszeit durchgeführt und die Wegstrecken finanzieren die Lehrkräfte auf eigene Kosten. Weiterhin gehört zu den Aufgaben der Lehrerschaft das Durchführen von Ausflügen zu (Kriegs-)Denkmälern, historischen Bauten/Stätten. Zu Kundgebungen werden die Schüler*innen von den Lehrkräften begleitet (auch wenn diese am Wochenende stattfinden).

 

Lehrer*innen können an den Schulen im Rahmen sogenannter Haupt- oder Nebenstellen beschäftigt sein. Im Rahmen der Nebenstellen-Beschäftigung werden nur die tatsächlich geleisteten Stunden vergütet, so dass in den Schulferien hierfür kein Gehalt gezahlt wird. Man kann jedoch in den Ferien im Rahmen der Schulferien-Betreuung beschäftigt werden oder im Rahmen von Nebensjobs/Kurzzeitjobs in Ferienlagern.

Im Gespräch mit einer weiteren Lehrerin erfahre ich, dass sie die lange Sommerferienzeit ohne Gehalt (3 Monate) mit dem Sammeln und Verkauf von Beeren überbrückt.

 

In den Gesprächen bekomme ich immer wieder zu spüren, dass die Arbeitstage der Lehrkräfte lang, anstrengend und mit viel Verantwortung beladen ist. Und die zusätzlichen Aufgaben, die in den sozialbehördlichen Bereich hineinspielen, sind sehr herausfordernd. Aber immer wieder kommt zum Ausdruck, mit wieviel Herzblut sie ihren Job machen und wie sehr ihnen die Schülerinnen und Schüler am Herzen liegen.

 

 

 

 

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