...Murphy´s Law schlägt zu:
Wer denkt nur die Grenzkontrollen halten Unwägbarkeiten bereit, der hat die Rechnung ohne die Deutsche Bahn gemacht. Ich starte meine Zugfahrt ab Köln HBF (geplant 6.55 Uhr Abfahrt) schon mit angekündigter Verspätung, sitze dann nach schweißtreibendem Verstauen meines Gepäcks auf meinem Sitz - da ertönt eine freundliche Stimme durch den Lautsprecher: „Wir bitten um Entschuldigung! Aufgrund einer technischen Störung am Zug verzögert sich die Abfahrtzeit.“ Wenn schon Verspätung, dann richtig - schießt es mir durch den Kopf und ich prüfe noch mal auf meinem Ticket die Abflugzeit am Frankfurter Flughafen. Der Zeitkorridor wird zwar knapp, aber es müsste zu schaffen sein. Das technische Problem scheint im Griff zu sein und der Lufthansa Express startet Richtung Frankfurt. Meine Hoffnung liegt auf der Bezeichnung EXPRESS und so döse ich und lasse die Landschaft am Fenster vorbeiziehen. Kurz vor Frankfurt flötet neuerlich eine freundliche Stimme durch den Waggon: Aufgrund gedrosselter Geschwindigkeit wird sich die Ankunft um weitere Minuten verzögern. Eine Sitzbank hinter mir werden Reisende sichtlich nervös, da deren Flieger 10 Minuten nach der angekündigten Einfahrt in den Flughafen abheben wird. Wir wünschen uns beim Aussteigen gegenseitig viel Glück und ich wähne mich in einem noch sicheren - wenn auch reduziertem zeitlichen Puffer. Da ich meinem Flug noch ein Upgrade auf Business Class gegönnt hatte, gehe ich zuversichtlich davon aus, dass jetzt ab dem Eintreffen am Flughafen alles wie am Schnürchen läuft. Doch weit gefehlt, der nächste Dämpfer erwartet mich am Check-In. Entgegen meiner Info und Recherche im Vorfeld gibt man mir zu verstehen, dass ich nicht zwei Gepäckstücke aufgeben darf und auch das zulässige Koffer-Gewicht durch mein Upgrade nicht erhöht wurde. Da stehe ich nun, habe alleine 11 kg an deutschen Lehrbüchern für ein Projekt in meinem zweiten Koffer. Umpacken ist keine Option, denn dann liege ich mit Koffer Nr. 1 über der Grenze. Den zweiten Koffer als Handgepäck zu nehmen, funktioniert auch nicht, denn ich habe noch einen Rucksack geschultert und eine Tasche im Arm. Wer schon mal in gemeinnütziger Mission nach Belarus unterwegs war, versteht, warum man so viel Gepäck dabei hat. Man gibt mir zu verstehen, dass sich der Time-Slot zum Check-In rasant seinem Ende nähert. Vor meinem geistigen Auge sehe ich den Flieger ohne mich abheben - da bietet man mir an, dass ich den zweiten Koffer gegen eine Nachgebühr aufgeben kann. Und ich bin immer noch der festen Ansicht, dass das 2. Gepäckstück im Upgrade enthalten ist. Aber diskutieren nützt nichts, hier gilt es schnell zu handeln und so zücke ich meine EC-Karte und bezahle. Ich nehme mir fest vor, das Thema Upgrade/ Gepäckvorschriften bei meiner Rückkehr noch mal zu prüfen. Ich hetze zur Sicherheitskontrolle, vor mir natürlich eine Familie mit gefühlten 10 Handgepäck-stücken und passiere die Körperscanner-Schleuse. Kurz noch abtasten lassen und dann warte ich auf das Durchleuchten meines Handgepäcks. Endlich kommt es auf dem Laufband in greifbare Nähe, doch da wird es plötzlich auf ein „Nebengleis“ geschubst. Ich hetze zum speziell für verdächtiges Gepäck vorgesehenen Kontrolltisch und gebe zu verstehen, dass mein Flieger gleich starten wird. Das dienstbeflissene Flughafenpersonal wirft mich mal einen prüfenden Blick auf meine Habseligkeiten und entlässt mich dann in Richtung Gate (ich hatte ja auch nichts zu verbergen). Ich habe die Boarding Zeit im Kopf und denke, dass ich mit einem kleinen Spurt auf die Minute pünktlich Gate 18 erreiche. Und hier erfahre ich, dass der Abflug sich verzögern wird. Wegen Personalmangels konnte das Flugzeug nicht in der gewohnten Zeit gereinigt werden.
Im Flieger dann die nächste Verzögerung. Der Flug ist komplett ausgebucht und die Passagiere schleppen Dinge als Handgepäck mit, wo ich mich frage, ob niemand das kontrolliert hat (Koffer so groß wie für einen mehrwöchigen Urlaub, Skischuhe, Skateboards, Kopfkissen gefüllt mit unerfindlichen Dingen usw - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt). Die Gepäckfächer sind schon nach kürzester Zeit gefüllt und überall schauen sich fragende Passagiere nach Verstaumöglichkeiten um. Daher richtet der Pilot die eindringliche Bitte an uns die Gepäckstücke unter den Sitzen zu verstauen, da ohne vorschriftsmäßiges Sichern des Gepäcks ein Abflug nicht möglich sei und unser angemeldetes Zeitfenster für den Abflug bald verstrichen sei. Die Crew ist kreativ und gibt ihr Bestes und so ist endlich alles untergebracht. Wir starten!!!
Uns so hoffe ich, dass bis jetzt Murphys Gesetz ausreichend Tribut gezollt wurde - und es nach der Landung nur noch „wie am Schnürchen läuft“…
Gemeinsam unterwegs
Am Frankfurter Flughafen habe ich mich mit meiner Reisebegleitung - auch in gemeinnütziger Mission unterwegs - verabredet: Margarete und Helmut. Margarete ist die Vorsitzende des Vereins Kinderhilfe Gomel e.V.
Gemeinsam wollen wir nach Belarus ein- sowie ausreisen und dann separat jeweils vor Ort unsere jeweiligen Projektpartner besuchen.
Margarete hat für uns einen zuverlässigen Fahrer zum Flughafen bestellt, der nach Tetris-Manier unsere prall gefüllten Koffer trotz meiner Zweifel im Kofferraum verstaut bekommt.
Zur Einstimmung auf unsere gemeinsame Reise organisiert Margarete für jeden von uns ein Schlückchen Wodka und so starten wir innerlich erwärmt Richtung Grenze.
Und was soll ich sagen, auf der litauischen Seite läuft es wirklich "wie am Schnürchen". Unser Fahrer schnappt sich unsere Pässe mit den Visa und übernimmt die Kommunikation mit den Grenzkontrolleuren. Zwei Kontrollen müssen wir auf der litauischen Seite passieren - aber das schaffen wir zügig in 30 Minuten.
Ich bin noch recht zuversichtlich, als wir weiterfahren, aber da sehe ich schon die lange Schlange vor der Grenze zu Belarus. LKWs, Transporter, PKWs stehen in zwei langen Reihen vor dem Kontrollpunkt. Zum Glück kann uns unser Fahrer Ilja Wifi geben und ich habe Zeit die ersten Einträge im Blog zu schreiben.
Während wir warten und im Gänsemarsch Richtung Grenze vorrücken, erklärt mir Margarete den Gebrauch ihrer Kolzov-Platten, die sie in ihrer Handtasche mitführt. Sie hat für ihre Reise die Detox- und Saubere Umgebung Platten im Einsatz. Wer mehr darüber erfahren möchte: https://www.kolzov.shop/ (Hinweis: unbezahlte Werbung). Ich frage mit einem Augenzwinkern, ob es auch eine Platte für "zügiges Reisen" gibt - denn bisher stehen wir mehr als dass wir fahren.
In zwei Warteschlangen eingereiht warten die Fahrzeuge geduldig auf ein Weiterkommen. Nach 3,5 Stunden stehen wir nun endlich vor dem Grenzkontrollhäuschen. Greifbar nah ist der Schlagbaum, jedoch wird uns eine rote Kelle entgegengehalten. Von rechts neben uns dürfen jetzt erst mal die LKWs einscheren.
Dem Zeil so nah, und doch so fern - so sitzen wir hier im Fahrzeug und warten.
Mittlerweile ist es 18:45 Uhr Ortszeit. Von Links werden immer wieder Radfahrer durchgelassen, alle ausgerüstet mit Warnweste - vermutlich Mitarbeitende.
Nach 30 Minuten Wartezeit vor dem Schlagbaum haben wir diesen Kontrollpunkt passiert. Jetzt heißt es aber sich erneut in Warteschlangen einzureihen, denn jetzt folgt die ausführliche Kontrolle: jeder von uns muss den Pass an einem Schalter vorzeigen, dieser wird mit minutenlang auf alle erdenkliche Weise geprüft - selbstverständlich auch das Visum, ohne das die Einreise nicht möglich wäre. Dann wird man noch fotografiert und eine dienstbeflissene Dame fordert uns auf unser Gepäck aus dem Wagen zu holen und die Koffer zu öffnen. Gleichzeitig geht ein Grenzbeamter mit Spürhund um unser Fahrzeug. Nachdem wir den Inhalt unserer Koffer für alle sichtbar auf dem Boden zwischen unserem und dem nachfolgenden Fahrzeug vorgezeigt haben und auch der Hund keine Beanstandungen zu vermelden hat, dürfen wir wieder alles ins Auto laden. Für etwas Irritation sorgen die von mir mitgeführten 14 Kursbücher für Deutsch als Fremdsprache, die im Rahmen eines Sprachprojektes verwendet werden sollen. Margarete springt mir zur Seite und kann muttersprachlich erklären, dass es sich um Lehrbücher handelt.
Wieder im Auto warten wir erneut darauf, dass sich der Schlagbaum öffnet. Wer denkt, ab jetzt können wir sofort nach Minsk als nächstes Etappenziel durchstarten, irrt sich. Wir fahren an ein weiteres Kontrollhäuschen und müssen dort nochmals ein Dokument vorzeigen, was wir am letzten Kontrollpunkt erhalten haben. Dann werden wir durch eine "Waschstraße" gelotst, in der unser Auto von außen desinfiziert wird. Jetzt aber heißt es: Freie Fahrt!
Es geht auf der Autobahn Richtung Minsk - zwischenzeitlich haben wir uns mit einem Snack an einer Tankstelle gestärkt. Gegen 22.30 Uhr erreichen wir den Treffpunkt in Minsk, wo mich Mascha und ihr Mann erwarten, die aus Mogiljow schon vor geraumer Zeit angereist sind und seit einigen Stunden auf mich warten. Unter großem HALLO und Wiedersehensfreude laden wir mein Gepäck bei Dunkelheit und Vollmond um. Wir verabschieden uns von Margarete, Helmut und dem Fahrer Ilja und wünschen ihnen gute Weiterfahrt nach Gomel und erfolgreiche Projektgespräche.
Auf der Fahrt nach Mogiljow haben Mascha und ich uns viel zu erzählen. Vor fast genau einem Jahr haben wir uns das letzte Mal persönlich gesehen. Kurz nach Mitternacht erreichen wir das Hotel Turist und ich sage: Gute Nacht bis morgen!
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