Das Institut Belrad wurde in den 1990er Jahren gegründet uns liegt in einem Minsker Außenbezirk. An der das Grundstück umgebenden Mauer ist kein Schild angebracht, jedoch sind wir angekündigt und Institutsleiter Alexey Nesterenko öffnet uns das Tor und führt uns in die Räumlichkeiten des Instituts.
Seit den 1990er Jahren fährt das Institut mit mobilen Laboren in die kontaminierten Regionen und misst dort die Strahlenbelastung im Körper der Kinder/Jugendlichen. Diese Messungen wurden oftmals auch durchgeführt, kurz bevor die Kindergruppen im Sommer zur Erholung ins Ausland fuhren, um die Werte mit denen nach der Rückkehr zu vergleichen. Eine Abnahme der Belastung konnte immer festgestellt werden.
Institutsgründer Prof. Wassilij Nesterenko ist der Vater des jetzigen Institutsleiters Alexey Nesterenko. Wassilij war seinerzeit einer der führenden Atomphysiker in der Sowjetunion wurde unmittelbar nach der Explosion desTschernobyl- Reaktors als Experte von den staatlichen Behörden hinzugezogen.
Das Institut ist keine staatliche Einrichtung und finanziert sich ausschließlich durch Spenden bzw. Projekte in der Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und Stiftungen.
Neben den regelmäßigen Körper-Messungen schult das Institut Lehrkräfte in der Handhabung von Messgeräten für Lebensmittel. So kann in Umwelt-Öko-Zirkeln mit der Schülerschaft das in den Wäldern Gesammelte sowie das in den eigenen Gärten Selbstangebaute untersucht werden. In diesen Projekten werden die Teilnehmenden darüber aufgeklärt, welche Bodennährstoffe in Kombination mit den jeweiligen Radionukliden Auswirkungen auf das Obst/Gemüse haben. Denn z. Bsp. in kaliumarmen Böden wird verstärkt Cäsium 137 durch die Pflanze aufgenommen. Außerdem wird vermittelt, wie man das Obst und Gemüse verarbeiten sollte, damit möglichst wenig der Belastung mit dem Verzehr in den Körper gelangt. Wichtig bei den Schul-Projekten ist für Alexey Nesterenko, dass die junge Generation für das Thema sensibilisiert wird und ihr Wissen als Multiplikatoren in die Familien und die örtliche Bevölkerung tragen.
Zudem hat das Institut das Präparat Vitapect entwickelt - ein Apfelpektin, welches stark betroffenen Kindern als Kur verabreicht wird. Über 21 Tage werden 6 Tabletten täglich genommen (diese Tablettendosis entspricht der Menge von 1,5 Äpfeln). Die Kurbehandlung verhindert die Aufnahme von Cäsium-137 durch die Darmwand und den Übergang in den Blutkreislauf.
Gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich wurde seinerzeit hierzu ein Forschungsprojekt durchgeführt.
Da die radioaktive Verschmutzung weder zu sehen, zu schmecken, zu riechen ist, gerät das Thema im Alltag und nach mittlerweile 37 Jahren aus dem Fokus der Bevölkerung. Daher ist es Herrn Nesterenko wichtig darauf hinzuweisen, dass ERST eine Halbwertzeit von Cäsium 137 erreicht ist und nicht SCHON. Zumal es sich in den betroffenen Regionen um eine dauerhafte Belastung handelt und nicht um eine temporäre, der die Bevölkerung ausgesetzt ist.
Die Anreicherungen der radioaktiven Isotope im Körper hängt sehr stark von der Ernährung und den Lebensumständen ab. Untersuchungen des Instituts in den bestrahlten Gebieten haben belegt, dass die Ernährung mit Waldfrüchten und Pilzen zu einer stärkeren Belastung führt sowie der Verzehr von Wild. Selbstangebautes aus dem eigenen Garten kann allerdings wenig belastet sein, wenn viele Mikronährstoffe im Boden vorhanden sind. Herrn Nesterenko ist es daher wichtig zu vermitteln, dass sehr individuell hingeschaut, aufgeklärt und beraten werden muss.
Auch von staatlicher Seite gibt es Unterstützungsprogammefür die Bevölkerung in den betroffenen Regionen: kostenloses strahlenfreies Essen in der Schule, kostenlose Erholungsfahrten der Kinder/Jugendlichen in Sanatorien im Land sowie der Anschluss der abgelegenen Dörfer an Gasleitungen. Hierdurch wurde nicht mehr mit den Holzöfen geheizt, wodurch mit Radionukliden belasteter Rauch entstand.
Aufgrund der staatlich festgeschriebenen Grenzwerte fallen jedoch regelmäßig verschiedene Dörfer und Kleinstädte aus der als verstrahlt geltenden Kategorie. Hierdurch entfallen auch die staatlichen Unterstützungsprogramme.
Auch die Projekte und Messungen des Instituts sind aktuell nur eingeschränkt möglich. Corona hatte die Arbeit ausgebremst und viele ausländische Vereine sehen sich im Moment aufgrund der geopolitischen Lage nicht imstande die langjährige Unterstützung fortzusetzen. Zudem kämpfen viele Tschernobyl-Vereine in den eigenen Reihen mit Nachwuchsproblemen und haben ihre Tätigkeiten eingestellt.
Herr Nesterenko nennt mehrere Kleinstädte und Ortschaften, in denen die Projekte sehr wichtig sind, um Messungen sowie Aufklärungs- und Schulungsarbeit zum Thema Strahlenbelastung durchzuführen. Für diese wichtige Arbeit ist das Institut auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Vielleicht finden sich engagierte Vereine, die sich ein gemeinsames Projekt mit dem Institut vorstellen können.
Auch unser Verein wird sicherlich zum Thema in den Austausch gehen.
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