Wir besuchen die Gededenkstätte Borki im Bezirk Kirowsk, Oblast Mogiljow. Die Gedenkstätte wird als die kleine Schwester der Gedenkstätte „Chatyn“ bezeichnet, welche im Oblast Minsk liegt. Beide Gedenkstätten erinnern an die Opfer der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Besonders wird erinnert an die „verbrannten Dörfer“, die mit den dort lebenden Einwohnern durch den nationalsozialistischen Genozid vernichtet wurden. Belarus ist unter den am Zweiten Weltkrieg beteiligten Nationen eine der am meist betroffenen. Die von Historikern geschätzten Opferzahlen liegen bei 2,5 bis 3 Millionen. Somit verlor etwa jeder dritte Belaruse sein Leben.
In Borki (übersetzt: Dorf im Kiefernwäldchen) wurden am 15. Juni 1942 die Einwohner:innen aus ingesamt 6 umliegenden Dörfern zusammengetrieben. Die Menschen wurden in eine Scheune gesperrt, welche man in Brand setzte. Säuglinge wurden in Brunnen ertränkt und Fliehende erschossen. An diesem Tag verloren 2037 Menschen ihr Leben. Es gab nur wenige Überlebende. Es wird von einem Kind berichtet, dass im Dielenboden versteckt wurde und mitanhören musste, wie die Mutter, die über der Bodenluke stand, erschossen wurde.
Der Gedenkkomplex Borki bildet das Zentrum eines kleinen wieder besiedelten Dorfes. Der Künstler hat die seinerzeitige Dorfstraße sowie die anliegenden Häuser und die Scheune als abstrakte Bauwerke dargestellt .
Den Anfang der Dorfstraße bildet ein großes Gebäude, in dem eine übergroße Skulptur steht. Diese stellt eine trauernde Mutter dar, die den Vorhang einer Kinderwiege umklammert. Sobald man sich dem Kunstwerk nähert, ertönt über im Bauwerk angebrachte Lautsprecher eine Frauenstimme, die voller Kummer ein Wiegenlied summt. Diese Mutter symbolisiert nicht nur die Trauer um das eigene Kind, sondern steht für die Trauer über alle Töchter und Söhne, die das Land Belarus im zweiten Weltkrieg verloren hat. Man kann hier nicht verharren, ohne emotional sehr ergriffen zu sein.
Wir gehen die Dorfstraße entlang und schauen in die angedeuteten Häuser. Dort stehen auf Gedenktafeln Erinnerungen von Überlebenden. Ab und an sind Spielzeuge in den Nischen der Häuser abgelegt von Besucher:innen des Denkmals.
Am Ende der Dorfstraße trifft man auf die große Dorf-Scheune, im deren Innerem ein riesiges schwarzes Menschen-Gebilde platziert ist. Schemenhaft kann man dort einzelne Körperteile erkennen sowie vor Qual verrenkte Menschengestalten. Im Gebälk der Scheune tönt aus Lautsprechern das Geräusch von prasselndem Feuer sowie Stimmen, die um Gnade flehen und vor Schmerz schreien. Der Anblick und das Erleben dieser Mahnmal-Installation wühlt emotional sehr auf. Die Erinnerung an die Opfer des Krieges zu wahren und gleichzeitig zu mahnen - ein Auftrag, der aktueller denn je erscheint.
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